Aus der Entstehungsgeschichte unseres 
Heimatortes Kuneschhau


Wenn man bei Kuneschhau auf einer der vielen Anhöhen steht und die Blicke in das Tal hinabschweifen läßt, kann man die ganze Dorfanlage überblicken: eine sich schier endlos dahin ziehende lockere Häuserreihe, charakteristisch nicht nur für Kuneschhau allein, sondern für alle übrigen Hauorte der beiden Sprachinseln.

Aus den Häusern ragte einst (jetzt ist der stolze Bau eine Ruine!) ein wuchtiger, stockhoher Steinbau heraus, der die Aufmerksamkeit jedes Beschauers auf sich locken mußte. Es war dies das ehemalige, sogenannte Erbrichterhaus und diente seinerzeit dem Erbrichter, Dorfschulzen oder Bürgermeister im heutigen Sinne, als Wohnung. 



Ehemalige Erbrichterei (Kretschn) im heutigen Zustand


Das ging aus den Urkunden hervor, die jeweils vom Hausältesten aufbewahrt wurden. Es gebührt den Bewohnern höchste Achtung, daß sie diese Dokumente wie ein Heiligtum behütet haben, damit diese bis in die Gegenwart herübergerettet werden konnten.

Der Text war in mittelalterlicher Urkundenlatein abgefaßt und gewährte Einblick in die Entstehung und Entwicklung unseres Heimatortes, der durch den Umstand eine Vorzugsstellung unter allen Orten der beiden Sprachinseln einnimmt.



Urkunde über die Gründung von Kuneschhau im Jahr 1342

Eine der Urkunden besagt, daß anläßlich der Verleihung der Erbgerichsbarkeit durch Magister Leopoldus, Kammergrafen in Kremnitz, an Vernherus de Potska (der erste Richter in Kuneschhau!) i.J. 1342 der Ort Kuneschhau unter dem Namen "villa sancti Michaelis" genannt wurde. Die Urkunde selbst, so steht im Kremnitzer Stadtarchiv vermerkt, wurde von dem Notar Syfried verfaßt und ausgestellt.



Urkunde über den Verkauf des Ortes Kuneschau im Jahr 1429 an die Stadt Kremnitz


Eine andere Urkunde berichtet, daß dem "ludex", dem Richter, das Recht zugesprochen wird, bei Gericht vorzusitzen, die ihm gebührenden Abgaben abzuverlangen und seinen steuerfreien Besitz von den "Untertanen" bestellen zu lassen. Er hatte auch die Erlaubnis zu einer Mühle, einer Fleischerei, einer Schmiede- oder Schusterwerkstätte und vor allem zur Schanktätigkeit. Das Haus der ehemaligen Erbrichterei in Kuneschhau wurde mit dem Namen "beim Kretschn" genannt.

Das Richteramt war erblich, konnte aber an andere Personen verkauft werden. In einer Urkunde aus dem Jahre 1429 heißt es, daß "die Gerichtsbarkeit" im besagten Kunushaw mit allen Einkünften (das erste Mal wurde dieser Name gebraucht!), wie immer sie genannt sein mögen und dem erwähnten Richter Gabriel zu eigen waren, nun dem neuen Richter Stephanus für 300 Mark und drei kleine Mark, die Mark zu 133 Denaren gerechnet, verkauft werde".

Schwere Verbrechen, wie Mord, Diebstahl oder Brandlegung, mußten vor dem königlichen Gericht verhandelt werden. Die noch bis zuletzt allgemein gebräuchliche Bezeichnung "Richter" für den Bürgermeister rührt noch von dieser Tätigkeit her, obwohl jene Funktion nach Einführung der amtlichen Gerichte längst auf diese übergegangen war.



Bauweise in Alt-Kuneschhau. Bis ins 20. Jahrhundert hielt man daran fest.


Im gleichen Jahr kam es zwischen der königlichen Kammer, die die Belange des Königs wahrzunehmen hatte (Vgl. die Ärztekammer oder Advokatenkammer!) und der Stadt Kremnitz aus verschiedenen Gründen zu einem offenen Konflikt. Der ungarische König Sigismund (zugleich deutscher Kaiser) brauchte zu dieser Zeit viel Geld. So wurde u.a. auch Kuneschhau, das ja bis dorthin königlicher Besitz war, an die Stadt Kremnitz verkauft. Nun geriet unser Heimatort unter städtischer Herrschaft. Dieser Zustand währte bis zur Aufhebung der Erbuntertänigkeit im Jahr 1848 bzw. bis zur Kommassation im Jahr 1883-1887, wobei die Besitzverhältisse bes. die Ablösung der Wald- und Weidenutzungsrechte, neu geregelt wurden.


Siedlungsform eines Waldhufendorfes    /|\  Acker -  ,;;,,  Wiese - {} Wald


Die Erscheinung nun, daß die Namensform im Grundwort die Silbe "-- hau" aufweist, läßt auf die mittelalterliche Rodung schließen. "Hauen" ist ein aus dem Forstwesen stammender Ausdruck und bedeutet das selbe wie "reuten" oder "roden". Diese Benennung deutet also unzweifelhaft auf die Entstehung der Siedlung auf urbar gemachtem Lande hin und wir können daraus auch gewisse Schlüsse auf die Herkunft der ersten Siedler ziehen: denn Ortsnamen mit dieser Endsilbe treten häufiger nur im ostmitteldeutschen Gebirgsraum auf, wie z.B. Schreiberhau im Riesengebirge oder Keilhau in Thüringen.

Meist gab ein vom Bach durchflossenes Waldtal die Ansatzbasis zu einer Neugründung.
Längs des Baches und Weges reihen sich Haus an Haus, hinter denen sich in langen Streifen der bäuerlichen Grundbesitz anschließt, der in der Regel auf der Höhe in einem Waldstück abschließt. Zwischen den Höfen liegen mehr oder minder breite Lücken. Die auf solche Art angelegten Dörfer bezeichnet man als "Reihen-" oder besser als "Waldhufendörfer".

Zur Zeit der Entstehung unseres Heimatortes gehörte das Land dem König, einem weltlichen oder geistlichen Grundherrn. Kuneschhau wurde auf ehemaligem königlichem Besitz angelegt. Als nämlich König Karl Robert von Ungarn im Jahr 1328 an Kremnitz das Stadtrecht verliehen hatte, verfügte er, daß die Stadt zwei Meilen Land im Umkreis zu "ihrer eigenen Kultivierung" haben solle. In diesen Bannkreis fiel unter anderem auch Kuneschhau.

Der König beauftragte nun seinen Vertreter, den sogenannten Lokator, ein angemessenes Waldstück roden und besiedeln zu lassen. Dabei wurde gleichzeitig die Anlage des Dorfes festgelegt: "der Ort könne sich bachauf- und -abwärts ausbreiten". Den Neusiedlern wurde eine Hofstätte nebst einem Stück Rodungsland zugesprochen, das groß genug war, eine Bauernfamilie zu ernähren. Dieser Besitzstreifen wurde "Hufe" genannt und war ungefähr so breit wie die Hausanlage, erreichte aber oft eine beträchtliche Länge, denn darauf verteilte sich der gesamte Grundbesitz: Äcker, Wiesen, Weiden und der Wald.

Die Hufen wurden in erster Zeit auf den ältesten oder jüngsten Sohn nach dem Ahnerbrecht vererbt. Durch fremden Einfluß wurde jedoch mehr und mehr die Erbteilung geübt, die durch immerwährende Unterteilung an sämtliche Erben eine Verarmung des Bauernstandes herbeiführte.

Der Bauer war nun nicht, wie es scheinen mochte, wirklicher Besitzer seines Grundstückes, wenn auch dieses vererbt werden konnte, sondern bloß Nutznießer. Dafür hatte er verschiedene Abgaben zu leisten, die teils in Naturalien, teils mit Geld zu bestimmten Zeiten (zu Georgi oder Michaeli) entrichtet werden mußten. So mußten Dörfer in Kuneschhau je Hufe eine Mark "Königsdenare", zwei Scheffel Roggen, Hülsenfrüchte und Hafer abliefern. Neuen Ansiedlern wurden zur Erleichterung einige, in der Regel sechzehn Freijahre gewährt.

Kuneschhau (und die deutschen Dörfer der Sprachinsel) wurden bei ihrer Gründung mit dem deutschen Recht ihrer Heimat begabt. Nach den vorhandenen Urkunden bedienten sich die Dörfer des Hauerlandes vorerst des Silleiner Rechtes (Sillein = Zilina), das auf das Breslauer, bzw. Magdeburger Stadtrecht zurückging.

Zeitlich gesehen, begann die Besiedelung des Gebietes unserer Heimat im Zuge der deutschen Ostkolonistation am Anfang des 14.Jahrhunderst und dauerte wohl bis ins 15. Jahrhundert hinein.

Die Frage nach der Herkunft unserer Ahnen und was sie vor Jahrhunderten bewogen haben mochte, ihre angestammte Heimat zu verlassen, ist trotz vieler Forschungsergebnisse nicht erschöpfend beantwortet worden. Es wird angenommen, daß eine rein agrarische Besiedlung kaum stattgefunden hat, sondern nur im Anschluß an das Bergwerksunternehmen in Kremnitz. Die Neusiedler dürften also "zu Hause" unter ähnlichen Verhältnissen gelebt haben, und die Lokatoren haben sich bestimmt Fachleute ausgesucht, die mit der Arbeit und Lebensweise eines Bergmanns vertraut gewesen waren. Keine Urkunde berichtet über die Herkunft unserer Ahnen. Nur nach Mundart, so haben Sprachwissenschaftler festgestellt, könnten Hinweise über das Herkunftsland, bzw. die Herkunftsländer abgeleitet werden, denn, so wird behauptet, wieviele Familien, so viele Herkunftsorte!


Erbrichterhaus in Kuneschhau


Die Häufigkeit einzelner Familiennamen, wie Daubner, Ihring , Neuschl, Oswald, Prokein, Rückschloß, um nur einige zu nennen, bezeugen, daß am Beginn der Gründungszeit nur wenige Siedler in der Gefolgschaft der Rodungsleute zu finden waren; sie gingen wohl kaum über ein Dutzend hinaus.

Für Kuneschhau selbst treffen wohl jene Forschungsergebnisse zu, die besagen, daß die Mundart im allgemeinen ostmitteldeutsche, vor allem also schlesische Merkmale aufweisen, jedoch von bayrischen Sprachelementen durchdrungen war. Festgehalten muß auch werden, daß nach den "hussitischen Wirren" in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts viele deutsche Bergleute, die damals berühmte Bergstadt Kuttenberg in Innerböhmen verlassen mußten und, nachdem sich diese gegen Osten wandten, im Kremnitzer Goldbergwerk Aufnahme fanden (M. Matunák). Doch aus welcher Himmelsrichtung immer unsere Vorfahren dieses rauhe, waldige Niemandsland einst betraten, Siegessäulen brauchte man ihnen nicht zu errichten, denn sie kamen nicht mit Schwert und Kriegstrommel, sondern folgten dem Rufe der Herrscher dieses Landes, um den Urwald zu roden, das Erz zu schürfen, kurz um friedliche Arbeit zu leisten, um genau sechs Jahrhunderte lang allen Widerwärtigkeiten zu trotzen und mit zähem Willen in echter deutscher Treue am überkommenen Glauben und Volkstum festzuhalten - bis zum bitteren Ende.